
Barbara Kenneweg ist nicht nur Teil des Literatur: BERLIN Festival 2017, Barbara feiert direkt die Premiere ihres ersten Romans „Haus für eine Person“. Kurz vor der Lesung haben wir uns mit ihr auf einen Kaffee getroffen und über ihren Roman gequtscht, versucht die Frage nach dem Glück im Leben zu beantworten und eure Leserfragen gestellt.
Sie feiern ihre Buchpremiere im Zuge des Literatur: BERLIN Festival 2017. Wie kam es denn zu diesem Zusammenschluss?
Das war so, dass ich von meinem Verlag gefragt wurde, ob ich eine Präferenz hätte. Als ich Mitte der 90er Jahre nach Berlin gekommen bin, war der Georg Büchner Buchladen tatsächlich meine erste Adresse unter den Buchläden. Ein wenig aus Nostalgie habe ich mir gedacht, dass es doch ein wunderbarer Ort für meine Premiere wäre. Natürlich auch weil ich das Profil dieses Ladens mag und weiß, wie engagiert sie sind.
Wie entscheiden Sie welche Stellen Sie bei einer Lesung tatsächlich lesen?
Als Einstieg nehme ich gerne eine Stelle, die gut in das Buch einführt, so dass man weiß worum es geht. Es sind Stellen, die ziemlich selbst erklärend sind und wenig Bezug nehmen zu dem, was davor war. Dann hat auch Frau Erhardt geholfen, da ein Blick von außen sehr gut sein kann.
Ich glaube, das Glück liegt eher in der Beschränkung, im Loslassen, im Verlieren von Ansprüchen.
„Haus für eine Person“ ist Ihr erster Roman. Wie kam es dazu, dass Sie den Schritt weg von den Erzählungen hin zum Roman gewagt haben?
Mit dem Prosa Schreiben für meine Erzählungen habe ich bereits 2002/2003 begonnen. Damals war es ziemlich schwer, obwohl ich viel Lob und Begeisterungen für meine Erzählungen bekommen haben, einen Verlag dafür zu finden. Ich erzähle jetzt keine Interna, aber sehr namhafte Verlage haben wochenlang gesagt, sie wollen das, und in allerletzter Minute dann: „Nein, jetzt doch nicht.“ Diese Zeit war sehr aufreibend und frustrierend. Eine Lektorin sagte mir, dass sie so begeistert sei, aber sie könne einfach keine Erzählungen veröffentlichen, ob ich nicht einen Roman schreiben wolle. Und da dachte ich mir: Ja! Natürlich hat es mich auch gereizt diese kleine Form der Erzählungen zu verlassen, wobei klein für mich jetzt überhaupt nicht wertend ist. Es war eine tolle Herausforderung für mich, mich von der Bühne über die Erzählungen hin zu dem Roman zu entwickeln, und mich dann der Frage zu stellen, was für einen Roman ich gerne schreiben würde. Es ist ja ein Roman, der ein dichtes Sprachgeflecht bildet und die sogenannte Wirklichkeit quasi in Echtzeit abzubilden versucht. Also der Frage nachgeht, wie fühlt sich Leben an, während es gelebt wird, und wie bilden sich aus all den kleinen Momenten große Entscheidungen und schließlich Lebenswege?
Ist das Projekt Ihre Erzählungen in eine Buchform zu bringen noch nicht ganz begraben? Oder sitzt die Verbitterung noch zu tief?
Ehrlich gesagt hat sich bereits der nächste Roman gemeldet und schluckt im Moment alles andere.
Der Hauptcharakter „Rosa“ aus Ihrem Buch ist Anfang 30. Gefühlt hat heutzutage jeder um die 30 eine Midlife Crisis. Auch in meinem Freundeskreis ist die Angst vor der 30 sehr verbreitet. Oder ist das ins sich hineinhören einfach ein Phänomen, das ein runder Geburtstag mit sich bringt?
Das mit der Midlife Crisis finde ich sehr interessant. Ich glaube, mittlerweile zieht die sich von Anfang 30 bis Ende 50. Die klassische Midlife Crisis war ja, dass man relativ plötzlich eine Krise
bekommt, nachdem man relativ viel erreicht hat. Ich weiß gar nicht, ob das jetzt noch so der Fall ist.
Ich glaube, dass sich, die Gesellschaft und seine Umwelt inzwischen ständig evaluiert. Man fragt sich schon ganz früh, was mache ich, was ist mein Ziel. Die ganze Umgebung scheint etwas von einem zu verlangen. Deswegen glaube ich, dass es eine Art permanentes hinterfragen ist, was sich wahrscheinlich über Jahrzehnte erstreckt. Ich weiß nicht, ob das irgendwann aufhört.
Der Glückszwang ist sicherlich ein großes Glückshindernis.
„Rosa“ ist ständig am Suchen und am Hinterfragen. Kann man so überhaupt glücklich werden oder steht man sich nur selbst im Wege?
Die Frage nach dem Glück liegt natürlich nah, wenn man das Buch so liest. Sie ist auch eine ganz wichtige. Allerdings weiß ich selber noch nicht, ob das Buch da eine Antwort geben kann. Es gibt viele interessante Gedankengänge. Zum Beispiel gibt es die Theorie, dass, wenn man ständig den Anspruch hat glücklich zu sein, der von unserer Gesellschaft ja auch sehr gehypt wird, man sich immer nur minderwertig fühlt. Überall gibt es Glücksrezepte, alle Menschen in Zeitschriften oder im Fernsehen sind immer glücklich. Ist man dann nicht glücklich, fühlt man sich automatisch minderwertig, auch wenn man einfach nur so, naja, mittelmäßig glücklich ist. Das führt dazu, dass man unglücklich ist und das Gefühl hat, ständig etwas zu verpassen. Der Glückszwang ist sicherlich ein großes Glückshindernis.
Ich glaube trotzdem, dass es möglich ist so eine Art Glücksbereischaft zu lernen. Möglicherweise liegt die aber in der entgegen gesetzten Richtung vom dem, was man sonst so meint. Ich glaube, das Glück liegt eher in der Beschränkung, im Loslassen, im Verlieren von Ansprüchen.
Für wen haben Sie das Buch geschrieben?
Das ist wirklich eine interessante Frage. Das Buch richtet sich nicht an eine besondere Zielgruppe, ich glaube es kann Menschen mit 25 und Menschen mit 65 ansprechen. Es ist auch nicht für Frauen geschrieben, zum Glück habe ich oft erfahren, dass es auch Männer sehr anspricht. Ich finde auch diese ganze Kinder-in-die-Welt-setzten-Thematik ist keine reine Frauen Thematik. Natürlich auch, aber ich denke, es geht Männer genauso an. Während der Arbeit habe ich sehr oft gedacht – vielleicht war es auch eine Projektion meiner eigenen Persönlichkeit und all dessen, was ich in meinem Berufsleben alles schon erlebt habe – dass Rosa doch eine ziemliche Außenseiter Figur sei. Ein ziemliches Nischenprodukt, das eher eine kleine Zielgruppe anspricht und mit dem ich in einem kleinen, feinen Literaturverlag mit einer kleinen, feinen Auflage landen werde. Und das ist alles gar nicht so gekommen. Das war für mich sehr überraschend, aber auch ganz toll. Es war sehr befriedigend zu erfahren, dass ganz viele Menschen mit dem Buch was anfangen können.
Bevor wir auf unseren Leserfragen eingehen, natürlich noch unsere Abschlussfrage. Wenn Sie sich aus allen Zutaten weltweit ihren Favoriten aussuchen könnten, wie würde ihr bevorzugte Pizzabelag aussehen?
Artischocken, Auberginen, Knoblauch und Oliven.
LESERFRAGEN
Dann kommen wir nun zu unseren Leserfragen. Die erste lautet: Wer hat das Cover zum Roman „Haus für eine Person“ gestaltet und wer ist für den Klappentext verantwortlich?
Das Cover hat das Büro Jorge Schmidt gestaltet. Es war eine sehr schöne Suche nach dem Cover. Ich dürfte selber auch einen Vorschlag machen, der fand so geteilten Anklang. Der Vorschlag vom Grafiker, kam allerdings in einer komplett anderem Farbgestaltung. Das Motiv hat mir sehr gut gefallen, die Farben überhaupt nicht. Dann haben wir daran solange herum gefeilt bis alle glücklich waren.
Und der Klappentext ist immer eine Gemeinschaftsarbeit. Die Lektorin macht den ersten Vorschlag, dann mäkelt die Autorin. Dann einigt man sich, was auch ganz gut ging, und dann wird das Ganze dem Vertrieb vorgelegt. Dann mäkelt der. Und zum Schluss sind alle glücklich.
Haben Sie eine bestimmte Tageszeit, zu der Sie immer produktiv sein können?
Ich wünschte es wäre so, aber seit fast 20 Jahren und fast einem Monat wird meine Zeit von meinen Kindern diktiert. Da ist man dann automatisch in diesem Rhythmus, wann sind die Kinder in der Kita, in der Schule, wann kommen sie zurück. Früher, als ich noch sehr jung war, es kommt mir ewig her vor, da habe ich auch gerne einmal nachts gearbeitet. Diese Zeiten sind völlig vorbei. Zu meinem großen Erstaunen ist es mir tatsächlich gelungen, über ganz viele Jahren wie eine kleine Maschine um 9 Uhr morgens am Schreibtisch zu sitzen.
Haben Sie noch einen Alltag oder ist alles ein Pool an möglichen Erzählungen, die nur darauf warten von ihnen nieder geschrieben zu werden?
Ich würde sagen, natürlich gibt es den Alltag. Und dann gibt es im Alltag, der in meinem Fall auch oft relativ gehetzt und voll ist, kleine wache Momente. Da sehe ich plötzlich was und weiß sofort dieser Mensch, dieser Hund, diese Geschichte wird irgendwie einfließen. Oft weiß ich dann noch gar nicht genau wie, das wird oft auch noch sehr stark transformiert und ist im Enddeffekt gar nicht mehr direkt erkennbar, aber diese Alltagsinspirationen sind für mich ganz wichtig. Manchmal habe ich die besten Ideen, wenn ich in der S-Bahn sitze.
Vielen Dank für Ihre Zeit und viel Erfolg mit Ihrem Roman „Ein Haus für eine Person“ und natürlich auch dem kommenden Roman.
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Buch Knispel
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